Alle Jahre wieder…. Zwischen Besinnlichkeit und Wahnsinn

Weihnachten steht vor der Tür und es packt mich, wie jedes Jahr schon seit Wochen. Ich bin unausgeglichen, nörgelig und über den 24. Dezember möchte ich am liebsten gar nicht sprechen. Mit niemandem. Aber das Problem ist, alle wollen mit mir darüber reden. Wie soll Weihnachten ablaufen? In welcher Konstellation? Wann gibt es die Geschenke? Was machen wir mit dem Weihnachtsbaum? Und dem Essen? Die Lösung der letzten Jahre, dass wir als Familie feiern und unsere festen Bräuche eingeführt haben, funktioniert dieses Jahr so nicht mehr. Denn es gibt ein neues Familienmitglied, das von mir abhängig ist und gestillt werden möchte. Deshalb verfallen wir in alte Traditionen und fahren zu den Schwiegers. Schon seit der Geburt des Jüngsten vor drei Monaten habe ich das Gefühl, dass ich in den Tagen um den 4. Advent meinen ersten Milchstau haben werde. Aber warum bin ich so festgefahren in meinen negativen Glaubenssätzen? Jedes Jahr um dieselbe Zeit versuche ich erneut dahinter zu kommen, was es eigentlich ist mit Weihnachten und mir. Und jedes Jahr frage ich mich, warum ich es nicht schaffe, endlich einmal entspannt diesem Fest der Feste zu begegnen. Was ist es, was mich da so kriegt?

 

Ich beobachte mich also und schaue genau hin, woher komme ich und was hat mich eigentlich zu der gemacht, die ich heute bin? Ich schließe die Augen und sofort sind da Bilder. Ich als kleines Mädchen zu Weihnachten zwischen einer gestressten, alleinerziehenden Mutter, zerknetschten Knödeln auf den Tellern, einer nörgelnden Oma die sich über alles beklagt, einem Tannenbaum, der eine traurige und schiefe Figur abgibt. Wir alle sind gereizt und es mag so gar keine friedliche Weihnachtsstimmung aufkommen. Da helfen auch die Weihnachtslieder nicht, die von der Schallplatte aus in sanften Tönen geschmettert werden. Ich sehe die kleine Katrin, die trotz allem versucht die Situation zu retten, probiert es allen recht zu machen, um den Weihnachtsfrieden zu retten. Und dann sehe ich, dass die Bemühungen nicht reichen und die Stimmung kippt. Es wird geschrien, geweint und es ist so gar nicht wie „Oh, du Fröhliche“. Und ich sehe dieses kleine Mädchen, dass doch eigentlich nur ein friedliches Weihnachtsfest wollte. Mal wieder.

 

Und da wird es mir klar, wie tief die Verletzung eigentlich sitzt. Ich nehme dieses kleine, verletzte Mädchen in Gedanken in den Arm. Sie kuschelt sich sofort an meinen Körper, schmiegt sich an mich und ich flüstere in ihr Ohr: „Alles ist gut, dich trifft keine Schuld“. Ich sage es ihr immer und immer wieder und wiege sie sanft hin und her. Sie lässt sich trösten und die kleine Katrin wird ruhiger. Die Spannung löst sich und irgendwann merke ich, es ist gut. Ich löse die Umarmung und schaue mich selbst an und erkenne in meinem kindlichen  Gesicht ein Lächeln. Alles ist gut, mich trifft keine Schuld.

 

Nun bin ich selbst Mama und der Perfektionismus und die Erwartungen an diesen Weihnachtstag sitzen mir im Nacken. Ich höre mir selbst zu, wie ich mich unter Druck setzte, was da für Worte in mir herum spuken und stelle fest, dass ich schon weit vor Weihnachten am rotieren bin. Und je näher der Tag rückt, desto schlimmer wird es. Doch wo ist der Knopf, um das Karussell anzuhalten, um aussteigen zu können? Was brauche ich eigentlich, um diesen Tag ruhig und entspannt anzugehen? Mein Mann sagt zu mir, dass ich bei seinen Eltern ja nichts machen muss. Ich darf entspannen. Aber kann ich mir das auch erlauben. Kann ich die Kontrolle einfach einmal komplett abgeben, mich treiben lassen, Erwartungen Erwartungen sein lassen? Ich weiß, dass ich durch meinen Weihnachtswahnsinn auch alle in meiner Familie in den Wahnsinn treibe. Das haben mir schließlich sieben Jahre mit Kindern gezeigt. Ich übertrage meine Stimmungen auf meine Kinder und wundere mich dann, warum an dem Tag so gar nichts so läuft, wie ich es mir vorgestellt habe.  Dabei liegt es doch auf der Hand, warum genau dann gestritten wird und die Enttäuschung letzten Endes bei allen groß ist. Was bleibt ist dann lediglich die leere Hülse des Vorsatzes, dass ich es doch alles anders machen wollte.

 

Deshalb visualisiere ich in den letzten Tagen ein schönes Weihnachtsbild von mir und meiner Familie.  Immer und immer wieder. Ich weiß, dass es funktionieren kann. Denn wenn ich in Erwartung eines Milchstaus bin, dann werde ich vermutlich auch einen bekommen. Also weg von den negativen Gedankenmustern hin zu einem positiven Mindset. Ich weiß, dass ich die Wahl habe. Immer. Aber gerade Weihnachten fällt mir das extrem schwer. Doch ich möchte dem eine echte Chance, denn ich wähle dieses Jahr bewusst. Es  muss nicht perfekt werden, es darf auch turbulent sein, aber im Großen und Ganzen möchte ich entspannt bleiben und in meiner Mitte ruhen.  Noch fünf Tage und ich bin einfach gespannt. Und so werde mich weiter beobachten, die kleine Katrin ab und zu in den Arm nehmen und mich einlassen auf ein  Weihnachten, dass ich neu erleben möchte.